Es bleibt selbstredend nicht aus, dass einem auf einer langen Reise viele interessante Menschen begegnen. Einige möchten wir jetzt vorstellen.
Als da wären zunächst einmal die zwei Südtiroler aus Brixen, die wir vorm Decathlon in Montbéliard getroffen haben – der eine mit einem reichlich leistungsschwachen Pedelec der ersten Stunde, der andere mit dem bereits zweiten Speichenbruch ihrer Reise. Ob die zwei ihr Ziel Santiago je erreicht haben? Man wird’s leider nie erfahren.
Dann Frank aus Göttingen, der zu Fuß in Fehmarn gestartet ist und bis Muxia laufen will in vier Monaten- von der Ostsee zum Atlantik. Seine vom Winde verwehte Regenpelerine, die Ivo vorm Davonfliegen gerettet hatte hat uns diese nette Konversation mittemang im französischen Outback beschert. Zu unsrem großen Erstaunen läuft er den Camino nun schon zum vierten Mal – Leute gibt’s, vor denen kann man nur sämtliche Hüte, Mützen und Fahrradhelme ziehen.

Den pilgernden Bert aus Belgien, der uns einige Tage später begegnet haben wir ja schon erwähnt – er sammelt Spenden für Krebskranke und meinte nur, beim nächsten Mal würde er auch lieber ein E-Bike nehmen.

Bei der Colapause in Roncevalles hinter dem Pyrenäenübergang – übrigens der Ort, wo der tapfere Ritter Roland auf der Rückkehr vom Kampf gegen die Mauren in einem baskischen Hinterhalt sein junges Leben lassen musste – sächselt es neben uns unüberhörbar. Diesen zwei radelnden Herren in ungefähr unserem Alter begegnen wir sehr viel später auf dem Endspurt nach Santiago gleich ein paarmal, bis wir dann ins Gespräch kommen. Frank und Rainer aus südlich von Leipzig sind muntere Knaben, die schon seit Kindheitstagen miteinander Fahrradurlaub machen. Ein bisschen peinlich ist mir schon, dass ich sie mit ihren Biorädern immer wieder mit meiner Motorunterstützung an den kräftezehrenden Bergen überhole. Aber sie schlagen sich wacker und in der Altstadt Santiagos tauschen wir dann schließlich Mailadressen aus.

Auf dem ruhigen kiefernbewaldeten Zeltplatz in Leon logiert neben uns ein Paar aus dem Osnabrücker Land. Reiner und Maria sind auch mit Pedelecs von Zuhause gestartet, haben teils ganz ähnliche Erfahrungen gemacht wie wir betreffs Stromzufuhr, Übernachtungsmöglichkeiten und den Eindrücken, die man so von Leuten und Infrastruktur in Frankreich und Spanien bekommt. Auch ihnen begegnen wir in Santiago wieder, auf dem malerischen Zeltplatz mit Blick auf die Kathedralentürme und tauschen bei Rioja und Nüsschen ausgiebig unsere Erfahrungen aus. Es tut gut, wenn man immer mal Menschen trifft, die ähnlich gestrickt sind wie man selbst – keine Weicheier und Sofakartoffeln, aber auch nicht vom selbstgefährdenden sportlichen Höchstleistungsehrgeiz zerfressen.
Auf dem Zeltplatz in Navarete machen wir die Bekanntschaft von Birgit und Beat aus der Schweiz, die uns abends mitnehmen in eine Bodega – spanische Weingüter, die über riesige Weinkeller verfügen – mit Live-Konzert. Bissle Rioja probieren und spanischem Rock lauschen hat auch was.

Ach ja, da waren noch Papa und Sohn aus Thüringen mit Mountainbikes und selbstgebasteltem Anhänger, die wir aber leider nach Pamplona nicht mehr getroffen haben. Da hätten sich sicher auch noch wunderbare Themen ergeben…
Keinesfalls vergessen darf ich die 73-jährige Holländerin im Hotel in Bénévent L‘Abbaye, die bereits auf dem Rückweg von Santiago war und uns den heißen Tipp mit der Bummelbahnlinie an der spanischen Nordküste entlang gegeben hat. Der Hinweis war Gold wert.
Ja, und auf dem Campingplatz in Pamplona kommt, während wir einen Regenschauer im Zelt abwarten, eine Belgierin mit Schirm vorbei und fragt, ob wir nicht statt unsrer gerade abwesenden belgischen Zeltnachbarn auf einen Kaffee in ihrem Wohnwagen vorbeischauen wollen. Klar wollen wir und Kerstin und Alan, ihr englischer Gatte erweisen sich als höchstspannende Gesprächspartner. Vor allem Alan erzählt endlos aus seiner Berufsvergangenheit bei Airforce, Nato und als Sicherheitsberater, dass uns ganz schwindelig wird. Über so manche Erfahrung und These von ihm muss ich auf der weiteren Reise immer wieder nachdenken.
Natürlich gab es noch viel mehr Begegnungen, meist sehr kurz, nur ein Satz oder wir wurden gefragt von wo wir kommen und wohin wir gehen. Es waren Menschen aus ganz Europa, Süden, Westen, Norden und Osten. Das wäre vor über 30 Jahren in dieser freiheitlichen Form nicht möglich gewesen. Diese Reise hat uns daran erinnert, wie wichtig das vereinte Europa ist. Lasst uns alles dafür tun, dies zu bewahren. Wer will denn auf Dauer nur unter seinesgleichen sein – ist doch langweilig.